Hungry Eyes Store
24. August 2021 | Raumklima

Im Dialog mit dem Stadtraum

Der Hungry Eyes Store in Stuttgart West ist alles andere als ein gewöhnlicher Brillenladen. Keine zugestellten Schaufenster, keine überfüllten Warenträger. Stattdessen fällt der Blick ungehindert in den puristischen Innenraum, wo Inhaber Thomas Hommerberg seiner täglichen Arbeit als Optiker nachgeht. Schnell wird klar: Hier geht es um mehr als den Verkauf von Brillen.

Bittet man Innenarchitekt Florian Siegel und Architekt Severin Küppers, ihren Auftraggeber zu beschreiben, müssen sie nicht lange überlegen: „Man fühlt sich ab dem ersten Moment gut aufgehoben und weiß, woran man bei ihm ist“, berichtet Florian Siegel, der eine gute Freundschaft zu Thomas Hommerberg pflegt. Im Mai 2020 kam dieser mit Plänen für ein eigenes Optikfachgeschäft auf ihn zu. Siegel und Küppers, die nach ihrer gemeinsamen Zeit bei Blocher Partners zunächst getrennte Wege gingen, nahmen dies zum Anlass, um ihre Zusammenarbeit fortzusetzen.

Analog statt digital

Konkrete Gestaltungswünsche gab es von Seiten des Bauherrn nicht. Viel wichtiger war es ihm, seine Identität und Werte über die Räumlichkeiten widerzuspiegeln. „Der Kundenkontakt war für ihn das Wichtigste am ganzen Konzept“, erinnert sich Severin Küppers. Sich eine Auswahl an Brillengestellen nach Hause liefern zu lassen erscheine bequem, habe für Hommerberg jedoch nur wenig mit einer echten Dienstleistung zu tun. Er wolle mit der Kundschaft ins Gespräch kommen, sein Gegenüber einschätzen und auf dieser Basis ein passendes Modell anbieten. Eben diese Interaktion sollte bereits von außen wahrnehmbar sein.

Eine urbane Bühne schaffen

Bei ihrem Entwurf legten die beiden Planer daher großen Wert darauf, die Barriere zwischen Außen- und Innenraum möglichst gering zu halten. „Wir haben das Konzept als ‚urbane Bühne‘ gedacht, auf der unser Bauherr als Protagonist zu sehen ist“, erklärt Severin Küpers. „Deshalb setzen wir bestimmende Gestaltungselemente der Umgebung im Inneren fort.“ So wurde der Sandstein im Bereich des Fassadensockels mit dem Bodenbelag im Verkaufsbereich weitergeführt. Die helle Verklinkerung der restlichen Fassade wird  in ein Kalksandstein-Sichtmauerwerk übersetzt, das mit seiner auffälligen Lochung nicht nur den gewünschten Außenraumcharakter erzeugt, sondern inzwischen das Erkennungsmerkmal des Stores ist.

Hungry Eyes Store

Hauptaugenmerk des Verkaufsraums ist die Warenträgerwand aus Kalksandstein, die die städtische Fassade transformiert und den öffentlichen Bereich vom dahinterliegenden Untersuchungs- und Werkstattbereich trennt.

Hungry Eyes Store

Der eigentlich für die Schallabsorption entwickelte Kalksandstein von KS-Original wird hier kurzum als Steckwand umfunktioniert.

„Einfachheit ist für uns Ehrlichkeit“

Bis die Wahl auf den Kalksandstein fiel, der mit seiner konischen Lochung eher in schallabsorbierender Funktion Verwendung findet, dauerte es einige Zeit. Auf der Suche nach einem Material mit urbanem Charakter, das sich gleichzeitig für die Anbringung von Warenträgern eignet, hatten Siegel und Küppers zunächst einen Ziegel im Blick. „Sein rötlicher Farbton war uns jedoch viel zu dominant und verputzen kam für uns nicht infrage“, so Florian Siegel. Vielmehr sollte die Reinheit und Echtheit des Baustoffes sichtbar bleiben – ein Kriterium, das für die jungen Planer in direkter Verbindung zur Einfachheit steht, die sich auch in der Gestaltung des Stores wiederfindet. Und so entschieden sie sich schließlich für den Schallschluckstein von KS-Original, der sich mit seiner Tiefe hervorragend zum Mauern ohne aufwändige Unterkonstruktion eignete. „Und letzten Endes trägt er noch dazu bei, dass es trotz größtenteils harter Oberflächen auch akustisch angenehm ist“, ergänzt Küppers

Hungry Eyes Store

Im hinteren Teil des Stores wird die Kundschaft von dem unerwarteten Charme einer Stuttgarter Altbauwohnung in Empfang genommen.

Guter Ladenbau muss wandelbar sein

Betritt man heute den Store, ist schnell vergessen, dass es sich um einen Innenraum handelt. Das weiße Mauerwerk mit seiner Rundung und minimalistische Möbel erzeugen eher den Eindruck eines Hinterhofes, der sich je nach Bestückung der Wand wandelt. „An dieser Wand ist nichts gebohrt oder geschraubt“, erklärt Severin Küppers. „Auch, wenn der Bauherr sich irgendwann mal entscheiden sollte, andere Produkte zu verkaufen, kann er diese mit dem Stecksystem ganz unkompliziert anbringen.“ 

Eine neue Welt eröffnet sich, sobald man die KS-Wand durchschritten hat und in den hinteren Teil des Geschäfts gelangt. Hier befinden sich Teeküche, Augenmessung und Werkstatt. Ein Parkettbogen und hohe Decken greifen die Gestalt des Altbaus auf und erzeugen eine private sowie wohnliche Atmosphäre.

Bauaufgabe
Nichtwohnungsbau
Lage
Stuttgart
Architektur/Bauplanung
Florian Siegel + Severin Küppers
Grundfläche
150.00m²
Fertigstellung
2021

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