Familienzentrum Spatz21 – eine abgerundete Sache.

In Braunschweig, am Spatzenstieg 21, ist von der ortsansässigen Stiftung „Netzwerk Nächstenliebe“ zusammen mit der Braunschweiger Friedenskirche ein Kinder- und Familienzentrum in einer extravaganten Bauform neu errichtet worden – direkt am Ringgleis, einer ehemaligen Bahntrasse, die zu einem Geh- und Radweg ausgebaut und auf Höhe des Familienzentrums neu gestaltet wurde.

Das Besondere an diesem barrierefreien Zentrum ist das Zusammenspiel unterschiedlicher familienorientierter Einrichtungen. Das massiv errichtete Gebäude überzeugt durch eine schon fast elegant wirkende Leichtigkeit und Offenheit sowie die wohlproportionierten Anordnungen der einzelnen Bereiche, die in dem Familienzentrum mit dem wohlklingenden Namen „Spatz 21“ beherbergt sind. Dazu gehören eine Kinderkrippe für Kinder im Alter von 1-3 Jahren, das Café „Spatz“ und ein Mehrzweckraum sowie das Familienzentrum mit Beratungs- und Fortbildungsräumen und eine kleine Musikschule.

Grundstück mit Hindernissen

Dem Architekten Carsten Holthuis, bplan architekten, stadtplaner & ingenieure, Braunschweig ist es gelungen, das zweistöckige, 1.364 m2 große Gebäude auf einem schwierigen, ca. 2.050 m2 großen Grundstück städtebaulich überzeugend umzusetzen. „Schwieriges“ Grundstück deshalb, weil sich unter Oberkante Erdreich in einer Tiefe von ca. 2,5 m ein Betonrohr befindet, durch das ein Bach verläuft. Architekt Holthuis: „Das Betonrohr mit einem Durchmesser von 1,50 m durfte nicht überbaut werden. Es verläuft diagonal durch das rechteckige Grundstück, sodass die bebaubare Fläche nun nur noch dreiecksförmig für die Bebauung zur Verfügung stand. Diese Fläche haben wir so weit es die Bauvorschriften zuließen genutzt - konsequenterweise haben auch die Grundrissabmessungen des Familienzentrums eine Dreiecksform.“

Rund gemauert

Die Tragkonstruktion besteht aus 17,5 cm großformatigen, schallschützenden Kalksandsteinen des KS* Bausystems KS-PLUS und einem 24 cm, weiß verputzen Wärmedämmverbundsystem. Um dem Gebäude eine insgesamt beschwingte, unkomplizierte und einladende Architektur zu verleihen, sind die Spitzen der Gebäudeecken in einem Radius von 3-4 m mit kleinformatigen 2DF Kalksandsteinen  rund gemauert worden. Durch die serielle Vorfertigung der großformatigen KS-PLUS Planelemente konnte beim Entwurf zudem auf das Einhalten von Richtmaßen verzichtet werden, was die auf größtmögliche Grundstücksnutzung ausgerichtete Planung vereinfachte.

Außen, im Erdgeschoss-Bereich der Kinderkrippe, ist eine unbehandelte, horizontal verlegte Lärchenholzverschalung als Vorhangfassade eingesetzt, die sich sehr ansprechend durch ihre kontrastreiche Struktur von der weißen Putzfassade absetzt. Im Laufe der Zeit und der Witterung ausgesetzt, wird sich eine silbergraue Patina entwickeln, die diesen divergierenden Eindruck noch verstärkt.

Blickfang Treppenhaus

Einen besonderen Blickfang bietet das voll verglaste, um 4° leicht nach vorn geneigte, sich vertikal in die Höhe streckende Treppenhaus mit Fahrstuhl. Es unterbricht die streng horizontal gegliederte Hausfassade mit ihren waagerecht angeordneten Fensterbändern und prägt durch diesen Kontrast entscheidend den architektonischen Charakter des Familienzentrums. „Es ist angedacht, in dem Zentrum noch eine Kindertagesstätte für Kinder von 3–6 Jahren zu integrieren und dafür ein weiteres Geschoss aufzustocken. Deshalb haben wir das Treppenhaus über das Dach geführt haben. Der Dachaufbau ist bereits für die spätere Nutzung statisch vorbereitet,“ so Holthuis.

Alles im Fluss

Innen setzt „Spatz 21“ ein deutliches Zeichen, wie sich unterschiedliche Einrichtungen mit vorwiegend sozialen Angeboten und ihren Kontrastfunktionen in einem Gebäude integrieren lassen. Obwohl die einzelnen Bereiche im Erd- wie auch im Obergeschoss in sich geschlossen sind, können durch geschickt angeordnete Raumkonstellationen leicht zwischenmenschliche Kontakte geknüpft werden, sodass auch die gewünschte Kommunikation unter- und miteinander möglich ist. Räumlich wird das Zusammenwirken dieser inhaltlich ganz unterschiedlich geprägten Einrichtungen durch geschwungene Wände und „runden Ecken“ aus kleinformatigen 2DF Kalksandsteinen wie auch durch sich abwechselnde in orange und weiß gestrichene KS-Wände geprägt. Sie bestimmen die geborgene wie auch anregende Atmosphäre und schaffen fließende, übersichtliche Übergänge zu den einzelnen Bereichen. Während sich die Kinder von 1-3 Jahren in der Krippe abgeschirmt in ihren Gruppen- bzw Schlafräumen treffen, finden multifunktionale Aktivitäten generationsübergreifend im Mehrzweckraum statt, der auch weiteren Institutionen zur Verfügung steht. Bei Bedarf kann er als Erweiterung des Cafés „Spatz“ hinzugezogen werden, einem sozialen Projekt, das ehrenamtlich auf Spendenbasis betrieben wird.

Haustechnisch verfügt das Gebäude über energetisch optimierte Konstruktionen und Techniken, die zu einem jährlichen Energiebedarf von nur 94,6 kWh/m2 führen. Dazu gehören unter anderem 24 cm Dämmebene bei Außenwänden und Dach, 3-fach-Verglasung bei den Fenstern, kontrollierte Be- und Entlüftung mit Wärmerückgewinnung. Mit einem U-Wert von 0,118 W/(m2K) trägt auch die gewählte Kalksandstein-Außenwandkonstruktion (17,5 cm Kalksandstein + 24 cm WDVS) zu der hohen Energieeinsparung bei, die in etwa einem KfW-Standard 70 (EnEV 2009) entspricht. 

Ebenso ist das Haus mit Baukosten von nur 1.360 €/m2 nach DIN 276, Kostengruppen 300 und 400 von der wirtschaftlichen Seite ein Vorzeigeobjekt. Architekt Holthuis erklärt:„Neben zahlreichen rationellen und wirtschaftlichen Techniken im Roh- und Ausbau hat auch das verwendete Bausystem KS-PLUS mit seinen vorkonfektionierten Wandbausätzen zu der wirtschaftlichen Erstellung des Familienzentrums beigetragen. Durch die Logistik des Bausystems konnten Bauzeiten exakt ein- und die Baukosten entsprechend niedrig gehalten werden. Die großformatigen, maßgenau vorgefertigten Pass- und Regelelemente wurden pünktlich, just-in-time, auf die Baustelle geliefert, sodass nachfolgende Gewerke ohne Zeitverzögerung mit ihrer Arbeit beginnen konnten.“

Bauaufgabe
Nichtwohnungsbau
Lage
Braunschweig
Architektur/Bauplanung
bplan architekten, Carsten Holthuis
Bauherr
Stiftung „Netzwerk Nächstenliebe“ / Braunschweiger Friedenskirche
Grundfläche
1364.00m²
Fertigstellung
2013

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