Haus aus Häusern Beelen Außenansicht
24. November 2022 | Bauen im Bestand | Schallschutz | Statik

Auf gute Nachbarschaft | Haus aus Häusern in Beelen

Regionale Produkte erhalten im Kontext des nachhaltigen Bauens wachsende Aufmerksamkeit. Jedoch findet Regionalität nicht allein auf Produktebene statt. Sie besitzt auch eine baukulturelle und emotionale Dimension, die bisher nur selten Beachtung findet. Wie wichtig dies aber für den langfristigen Erfolg und die Akzeptanz eines Gebäudes ist – gleich, ob Bestand oder Neubau –, belegen Architekten Spiekermann mit ihrem „Haus aus Häusern“.

Seit der Gründung im Jahr 1965 ist das Büro im Münsterland ansässig und fester Bestandteil des 6000-Seelen-Ortes Beelen mit seinen zahlreichen aktiven Bauernhöfen. Sie waren es auch, die als Inspiration beim Umbau und der Aufstockung des Hauses aus den 60er Jahren am historischen Kirchplatz mitten im Dorf dienten.

Antwort auf regionale Bautypologien

Ursprünglich als Einfamilienhaus geplant, blieben Keller und Sockel des Bestands erhalten und wurden umgebaut. Das Obergeschoss mit Satteldach wich drei Einzelgebäuden, die dem Bau seinen Namen gaben. „Das haben wir einerseits in Anlehnung an die typisch westfälischen Bauernhöfe hier in der Umgebung gemacht. Andererseits konnten wir dadurch auch das große Volumen des Sockelbaus aufbrechen und uns an die kleineren Strukturen der Umgebung anpassen“, erklärt Oliver Spiekermann, der das Unternehmen seit 2006 in zweiter Generation leitet.

 

Langlebig bauen heißt wandelbar bauen

Statt als Einfamilienhaus wird das Gebäude heute gemischt genutzt. Das Erdgeschoss wurde als Wohnung vermietet, das Obergeschoss nutzt ein Immobilienmakler. Der Grundriss wurde vorausschauend flexibel geplant und ließ sich mit wenigen Eingriffen in zwei voneinander getrennte Einheiten umwandeln. „Sogar eine dritte Einheit wäre möglich“, meint Spiekermann und ergänzt: „Diese Wandelbarkeit gehört für uns bei einem langlebigen Gebäude einfach dazu“.

Das Innere wird geprägt von viel Licht und Luft – selbst im Sockelgeschoss, wo die Deckenhöhe gerade einmal 2,50 m beträgt. Zur Gartenseite öffnet es sich mit großflächigen Verglasungen. Über dem Wohnzimmer erstreckt sich ein sieben Meter hoher Luftraum bis unter eines der drei Satteldächer. Das Obergeschoss sucht mit seinen Fensterbändern die Blickbeziehung zum Kirchplatz.

Haus aus Häusern Beelen 3D Ansicht Sockel und Geschosse

Den Bestand, der in KS-Massivbauweise errichtet wurde, ergänzten die Architekt*innen um drei Aufstockungen in Hybridbauweise aus Kalksandstein und Holz.

Haus aus Häusern Beelen Schnitt

Lufträume mit bis zu sieben Metern Höhe prägen den Innenraum

Haus aus Häusern Beelen Außenansicht in der Abenddämmerung

Der rückwärtige Teil des Bestands wurde zum Teil rückgebaut, um das Gebäude stärker zu öffnen.

Von Tradition bis Innovation

Bestand und Aufstockung sind nicht nur durch ihre Kubatur, sondern auch durch ihre Fassaden deutlich voneinander zu unterscheiden: In Anlehnung an sein Umfeld wurde das Erdgeschoss mit handgebrochenem Klinker verkleidet. Einen progressiven Charakter schaffen die hellgrauen Zementspanpaneele darüber. Die tragende Basis hierfür liefert Kalksandsteinmauerwerk. In der Vergangenheit hat das 22-köpfige Team von Architekten Spiekermann bereits zahlreiche Projekte mit den Produkten von KS-Original realisiert. „Das liegt zum einen an der örtlichen Nähe des Werkes und den dadurch kurzen Transportwegen. Zum anderen ist sowohl die Planung als auch die Ausführung mit Kalksandstein wirklich unkompliziert“, begründet der Geschäftsführer.

Haus aus Häusern Beelen Dach ohne Überstand

Um eine skulpturalere Wirkung zu erzielen, wurden die Häuser ohne Dachüberstand geplant.

Aufgestockt in Hybridbauweise

Beim Haus aus Häusern fanden sie mit dem Sockelgeschoss bereits einen Massivbau aus Kalksandstein vor. Da die Auskragungen hohe Lasten mit sich brachten, entschied man sich bei der Aufstockung für eine Hybridbauweise aus Holz und KS-Plansteinen. Letztere sind aufgrund ihrer hohen Druckfestigkeit vor allem für die Lastabtragung zuständig. „Wenn ich ein Gebäude errichte, das zu einem späteren Zeitpunkt möglicherweise in mehrere Einheiten unterteilt wird, muss ich auch den Schallschutz mitdenken“, ergänzt Spiekermann. „Und auch da bin ich mit Kalksandstein ebenfalls auf der sicheren Seite.“

Haus aus Häusern Beelen Innenrum mit flexiblem Grundriss

Der Grundriss lässt sich je nach den Anforderungen der Nutzer*innen flexibel verändern.

Bauen im Limit

Dass es sich im Dorf an so sensibler Stelle nicht ohne eine gute Beziehung zur Nachbarschaft bauen lässt, zeigte sich spätestens bei der Umsetzung des Entwurfs. Da das Haus an allen vier Seiten direkt an die Grundstücksgrenze ragt, war für Baumaschinen und Material nahezu kein Platz vorhanden. Und natürlich waren alle Anwohner*innen unmittelbar von Lärm und Staub betroffen. „Ich bin deshalb vor Baubeginn zu allen Nachbarn gegangen, habe ihnen meine Pläne vorgelegt und erklärt, was wir hier machen möchten und was auf sie zukommt“, erzählt der Architekt. Was die Materialanlieferung betraf, musste dies „just-in-sequence“, also entsprechend des Baufortschritts, passieren, was durch nur zehn Kilometer Entfernung zum Werk und die regionale Ressourcen-Gewinnung problemlos möglich war.

Wider den „Donut-Effekt“

Nach zweijähriger Bauzeit hat Beelen einen wertvollen, eigenständigen aber respektvollen Baustein hinzugewonnen. Anstatt auf der „grünen Wiese“ zu bauen, entschieden sich Architekten Spiekermann für den Erhalt und die Stärkung des Ortskerns. „Wir kennen den Ort und die Menschen, die hier leben“, resümiert Spiekermann. „Ohne diesen Hintergrund wäre es wahrscheinlich deutlich schwieriger geworden, ein Gebäude zu schaffen, das nicht nur aus Materialsicht, sondern auch in emotionaler Hinsicht Bestand hat.“

Haus aus Häusern Beelen Satteldächer

Mit seinen Satteldächern greift das Haus aus Häusern die Dachformen der Nachbarbebauung auf.

Lageplan Beelen

Das Gebäude reiht sich in den Bestand um den Kirchplatz ein.

Haus aus Häusern Beelen Treppenhaus mit Fassadenelementen

Die Fassadenverkleidung der Aufstockungen setzt sich auch im Innenraum fort.

Haus aus Häusern Beelen Innenraum mit Blick zum Kirchplatz

Das Haus aus Häusern sucht ganz bewusst die Blickbeziehung zum Kirchplatz mit seinen denkmalgeschützten Fachwerkhäusern.

Der Kopf hinter dem Projekt

Seit 1965 plant, entwirft, zeichnet, koordiniert und baut das Büro Architekten Spiekermann im münsterländischen Beelen. Die Projekte im Architekturstil zwischen Tradition und Moderne reichen von Klinkerbauten mit Satteldach bis zu zeitgenössischen Flachdachhäusern und von Carports bis zu Gewerbehallen. 

Architekt Oliver Spiekermann

Architekt Oliver Spiekermann, Inhaber von Spiekermann Architekten.

Bauaufgabe
Bauen im Bestand
Lage
Beelen
Architektur/Bauplanung
Architekten Spiekermann
Grundfläche
455.00m²
Fertigstellung
2021

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