Panzerhalle Landau Frontansicht
12. Juni 2023 | Bauen im Bestand | Schallschutz

Vom Gefecht zur Gemeinschaft

Aus einer brutalistischen Halle, in der einst Panzer der Wehrmacht gewartet und untergebracht wurden, entsteht moderner Wohnraum für Familien, Paare und Singles. Die Umnutzung erforderte von krüger architektur nicht nur besondere Lösungen in planerischer Hinsicht, sondern auch Gespür für Geschichte und Potenzial des Bestands.

Mit dem Abzug der französischen Truppen im Jahr 1999 wurde im Landauer Süden die Fläche dreier Kasernen frei. Im Rahmen einer entsprechend großangelegten Konversionsmaßnahme wurden die Areale zu Wohnquartieren umgewandelt. Ein Teil des militärischen Bestands blieb dabei erhalten. Ein weiterer wurde rückgebaut und durch Neubauten ersetzt. Nicht jedoch die Panzerhalle an der Richard-Joseph-Straße.

Panzerhalle Landau Usprungszustand des Bestands vor Sanierung

Lange Zeit war die Panzerhalle eines der umstrittenen Gebäude und konnte nur mit knapper Mehrheit vor dem Abriss gerettet werden.

Panzerhalle Landau Straßenansicht

Die Panzerhalle wurde 1944 auf dem Areal der Doppelkaserne Estienne et Foch errichtet. In einer 1,5-jährigen Bauzeit wurde sie zum Wohngebäude umgewandelt.

Haus-im-Haus mal anders

Heute steht das Gebäude wie ein Satellit inmitten klassischer Wohnbebauung. Das war auch so gewünscht: „Der Wettbewerb forderte einerseits eine Wohnnutzung. Andererseits sollte das architektonische Erscheinungsbild erhalten bleiben“, erinnert sich René Krüger, Architekt und Inhaber des gleichnamigen Büros krüger architektur, das den Auftrag schließlich gemeinsam mit seinem Auftraggeber, der Bösherz Immobilien GmbH für sich gewinnen konnte.

Die brutalistische Stahlbeton-Skelettkonstruktion blieb deshalb erhalten und wurde lediglich repariert und konserviert. In die Struktur hinein stellte man ein weiteres, vollkommen eigenständiges Gebäude. Die Außenwände wurden mit einer Holzfassade bekleidet, die durch die erhaltenen Sprossenfenster sichtbar ist. Der Grundriss orientiert sich am Raster des Bestands und wurde mit Kalksandstein von KS-Original errichtet. „Ausschlaggebend hierfür war vor allem der Schallschutz. Wir haben uns für einen Kalksandstein mit einer Rohdichte von 2,0 entschieden, wodurch wir auf der sicheren Seite sind“, begründet Krüger die Entscheidung. Diese Anforderung bezog sich auf die Trennwände zwischen den Wohnungen sowie auch auf die Wände zur zentralen, circa 8 Meter hohen Erschließungshalle. Letztere wurden zusätzlich mit einem Wärmedämmverbundsystem versehen, um Wärmeverluste zum unbeheizten Flur zu vermeiden.

Panzerhalle Landau Frontansicht

Das industrielle Erscheinungsbild blieb im Zuge der Umnutzung erhalten und gibt den Blick auf das eingestellte Gebäude frei.

Panzerhalle Landau Schnittperspektive

Im Haus im Haus wird der Zugang zum Obergeschoss über mehrere Treppen erlangt.

Auch bei der Umsetzung der Planung waren kreative Lösungen gefragt. Um die Kalksandsteine durch das Dach in die zweite Ebene zu heben, nutzte man das Oberlicht. Palettenweise und mithilfe eines Krans wurden sie auf der Geschossdecke abgestellt und verteilt. „Wir haben schon oft mit Kalksandsteinen gearbeitet. Hier haben wir aber zum ersten Mal die XL-Rasterelemente verwendet, um den logistischen Aufwand gering zu halten“, erklärt Krüger. „Heißt, wir hatten weniger Steine, die verteilt werden mussten und konnten entsprechend schneller mauern.“

Panzerhalle Landau neu eingezogene Kalksandsteinwände

Die neu eingezogenen Wände aus großformatigen Kalksandsteinen orientieren sich am Bestandsraster und sorgen heute für den nötigen Schallschutz zwischen den Wohnungen und zur Erschließungshalle.

Panzerhalle Landau Sichtschutz zwischen Gärten

Die einstigen Tore der Panzerhalle fanden ein neues Leben als Trennwände und Sichtschutz zwischen den Gärten.

Panzerhalle Landau Erschließungshalle

Die Tiefe der Wohnungen ergibt sich aus der Anforderung einer ausreichenden Belichtung. Die zentrale Erschließung wurde entsprechend in die Mitte der Halle gesetzt und teilt sie nun längst in zwei Wohnungsstränge.

Leitern, Laufkatzen und Tore

Auf diese Weise wurden aus ursprünglich einem Raum 15 Wohneinheiten – und mehr noch: „Früher wurde die Halle zur Unterbringung und Wartung von Panzern genutzt. Heute ist es ein Raum, der von Menschen bewohnt und in dem eine Gemeinschaft gepflegt wird“, erklärt der Architekt. Die einstige Architektur aus der Zeit des Nationalsozialismus erhält einen neuen Wert, ohne ihre Vergangenheit zu verleugnen.

Neben dem äußeren Erscheinungsbild beeindruckt auch der Innenraum. Betritt man die Erschließungshalle, wandert der Blick erst einmal nach oben. Erst im zweiten Moment fallen erhaltene Details wie Leitern oder die Konsolen für Laufkatzen auf. Innerhalb der Wohnungen dienen die einstigen Tore der Panzerhalle als Schiebetüren und finden zudem als Trennelement und Sichtschutz zwischen den Gärten eine neue Verwendung.

Zurück in die Zukunft

Die Panzerhalle in Landau ist ein gelungenes Beispiel, das zeigt, wie sich der Wert eines Gebäudes nicht nur auf materieller, sondern auch auf ideeller Ebene von Grund auf neu schaffen lässt. Besagte Kompromissbereitschaft und außergewöhnliche Lösungen sind dabei ebenso wichtig wie die Rückbesinnung auf einfache, bewährte Bauweisen und Materialien.

„Am besten sieht man das an den Gebäuden, die vor 100 oder 200 Jahren gebaut wurden und bis heute stehen. Man folgte damals keinem kurzweiligen Modetrend, sondern baute entsprechend des Bedarfs – und zwar robust und dementsprechend langlebig. Das sind für mich wesentliche Aspekte des einfachen Bauens“, resümiert Krüger abschließend.

Panzerhalle Landau Schiebetüren im Innenraum

Die Oberflächengestaltung passt sich dem rauen Charakter der Architektur an. Die ursprünglichen Tore werden auch als Schiebetüren verwendet.

Portrait René Krüger Panzerhalle Landau

Der Kopf hinter dem Projekt

Während seiner Laufbahn als Freier Architekt spezialisierte sich René Krüger vor allem auf die Altbausanierung und arbeitete darüber hinaus als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden. Im Jahr 2003 gründete er schließlich sein Büro krüger architektur mit Sitz in Karlsruhe. Unterstützt durch ein großes Fachplaner-Netzwerk, bearbeitet das rund 10-köpfige Team heute nachhaltige Lösungen für Neubau und Bestand, die hinsichtlich Gestaltung, Technik und Wirtschaftlichkeit den Erwartungen der Auftraggeber gerecht werden.

Bauaufgabe
Bauen im Bestand
Lage
Landau
Architektur/Bauplanung
krüger architektur
Bauherr
Bösherz Immobilien GmbH
Grundfläche
1164.46m²
Fertigstellung
2020

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