13. Juli 2023 | Kathrin Albrecht; BAUKUNST.PLUS | Hinter der Fassade | Ökologisches Bauen | Städtebauliche Gegebenheiten | Topografische Gegebenheiten

Klimaresilienter Außenraum

Hinter der Fassade

Urbanes Grün trägt auf vielfältige Weise zur Förderung einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Stadtentwicklung bei. In Punkto Klimaschutz beispielsweise kann es die Entstehung sogenannter Hitzeinseln erschweren. Gemeint sind Temperaturunterschiede zwischen Stadt und umliegenden ländlichen Bereichen, die in Sommernächten 10 Grad Celcius und mehr betragen können. Für die vulnerable Bevölkerungsgruppe können sich daraus gesundheitsschädliche bis lebensbedrohliche Situationen ergeben. Die Weltgesundheitsorganisation veröffentlichte für 2022 die traurige Bilanz von mindestens 15.000 Hitzetoten in Europa; 4.500 Personen allein in Deutschland, so das Robert-Koch-Institut.

Auf mehrere Weisen können grüne Strukturen den Hitzestress reduzieren: Weil der Grünraum eine geringere Wärmespeicherkapazität als Gebäude und versiegelte Flächen besitzt, werden urbane Strahlungsbilanzen modifiziert. Zeitgleich schirmt der Schattenwurf von Baumkronen die kurzwellige Sonnenstrahlung ab und reduziert so Oberflächentemperaturen. Zudem verdunsten Pflanzenblätter über ihre Oberfläche Wasser, um sich vor Überhitzung zu schützen. Für diesen energieintensiven Prozess wird der Luft Wärme entzogen; sie kühlt sich ab.

Mit dem 49.000 m² großen Stadtteilpark Kronsberg-Süd und großen begrünten Innenhöfen reagiert Niedersachsens derzeit größtes Wohnbauprojekt Kronsrode auf den Klimawandel. Das großzügige Grün wirkt sich positiv auf das Wohlbefinden der Menschen aus und steigert damit neben der Standortqualität vor allem die Lebensqualität. Für den Erhalt des Artenreichtums bringen die Landschaftsarchitekten Lohaus · Carl · Köhlmos 300 in ihrem Wuchs sehr unterschiedliche Bäume in den Park ein. Auch gelten heterogene Baumbestände wesentlich besser an Extremwetterereignisse angepasst als monokulturelle Bestände. Begleitet werden die unterschiedlichen Stadtbäume in Kronsrode von knapp 700 m² Hecken, etwa 7.750 m² extensiver Blühwiesen und 2.200 m² Staudenflächen, die vor allem nach ihrer Insektenfreundlichkeit ausgesucht werden.

Möglichen Starkregenvorkommnissen begegnet das neue Quartier nicht nur mit großen entsiegelten Grünflächen und Gründächern, sondern greift auf das zur Weltausstellung EXPO 2000 entwickelte Mulden-Rigolen-System zurück, das heute als Konzept der Schwammstadt Standard im klimaresilienten Bauen ist. Was bei Regen nicht auf den begrünten Dächern zurückgehalten werden kann, fließt nicht in die Kanalisation, sondern in die Versickerungsmulden der Grünflächen. Unter den Mulden befinden sich ca. ein Meter tiefe Sand- und Kieskörper, die Rigolen, in denen das Wasser zwischengespeichert wird und langsam versickert. Wasser als wichtige Ressource wird so in Kronsrode gehalten.

Jetzt die ganze Folge #2 von Hinter der Fassade ansehen.

Bild + Film: Christian Clarke; Drohnenbilder: Olaf Mahlstedt; Skizzen: West 8

Landschaftsarchitektin Irene Lohaus

Prof. Irene Lohaus, Gesellschafterin von Lohaus · Carl · Köhlmos in Hannover, war mit ihrem Team verantwortlich für die Detailplanung des Parks.

Autor
Kathrin Albrecht; BAUKUNST.PLUS

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