Vom Ort der Isolation zum Raum der Offenheit

Wo einst Mauern den Blick versperrten und Strukturen der Kontrolle den Alltag beherrschten, ist nun ein Gelände voller Durchlässigkeit und Freiheit entstanden: In Düsseldorf-Derendorf befindet sich auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt das neue Quartier maxfrei.

Wenig erinnert auf dem Gelände von maxfrei noch an die Vergangenheit. Die Struktur des Gefängnisses – ein Bau in Kreuzform mit vier ummauerten Höfen – wurde städtebaulich umgekehrt: Heute bildet ein zentraler Park in eben jener Kreuzform zusammen mit der historischen Gefängniskapelle das Herz des Areals. Umgeben wird der ehemalige Gebetsraum von offenen Baublöcken, in denen Wohnen, Arbeiten und Freizeit ineinander übergehen.
„Das Ziel war eine absolute Durchlässigkeit, Transparenz und die Möglichkeit des Zusammenkommens für die Menschen an diesem Ort – also alles Aspekte, die ein Gefängnis üblicherweise nicht hat“, sagt Projektleiter Thomas Heimowski, Associate Partner bei HPP Architekten. Bereits 2019 konnte sich das Büro mit Hauptsitz in Düsseldorf in einem Wettbewerbsverfahren durchsetzen und erhielt den Zuschlag für das Baufeld 3 des neuen Stadtbausteins.

Corona als Katalysator

Der Entwurf war bereits weit fortgeschritten, als die Welt im März 2020 aufgrund der Pandemie plötzlich stehen blieb – die Ideen aber nicht. Für Heimowski und sein Team war diese Zeit die Gelegenheit zum Innehalten, aber auch zum Neujustieren. Das Wohnen veränderte sich nachhaltig – das spürte auch der Bauherr Interboden und ließ die Planung 2020 überdenken „Wir haben uns zusammengesetzt und uns ehrlich gefragt, welchen Einfluss diese Situation zukünftig auf uns und unsere Bedürfnisse hat“, erinnert sich Heimowski. Und so wurde das Konzept neu gedacht: Mehr Rückzugsräume und Platz für Homeoffice in den Wohnungen, größere Balkone, Terrassen und eine umfangreich begrünte Dachlandschaft waren das Ergebnis.

Auf dem Gelände der ehemaligen Justizvollzugsanstalt in Düsseldorf-Derendorf ist das Quartier maxfrei entstanden. Auf den früheren Gefängnishöfen befindet sich nun unter anderem das von HPP Architekten geplante Baufeld 3.

Das Gebäudeensemble von Baufeld 3 orientiert sich an der roten Farbgebung der historischen Gefängniskapelle, die ein wichtiger Orientierungspunkt im Quartier ist.

Einheit in Vielfalt

Inspiration für das neue Gebäudeensemble auf dem Baufeld 3 gewannen Heimowski und sein Team insbesondere aus den Bestandsbauten in Derendorf, die von klassischen Satteldächern geprägt sind – ebenso wie von der historischen Kapelle der ehemaligen Haftanstalt. Diese ist heute ein historischer Orientierungspunkt im Quartier und Impulsgeberin für die Architektursprache auf dem Gelände. Der dunkelrote Backstein des Altbaus wird in die rötliche Farbwelt des Neubaus übersetzt.
Ein dunkleres Sockelgeschoss bildet dabei die Basis, während sich das Gebäude nach oben hin durch Rücksprünge auflöst – eine Neuinterpretation der umgebenden Satteldächer. Damit wurde das klassische Satteldach modern übersetzt – mit einem praktischen Vorteil: Die Rücksprünge gliedern die Fassade und schaffen dabei Freiflächen mit Aufenthaltsqualität. Den Abschluss des Gebäudes bilden Dachgärten, die die Bewohner*innen der oberen Geschosse über einen privaten Zugang erreichen können.

Einfach bauen, differenziert wirken

Das Wohnungsangebot auf dem Baufeld 3 reicht von 44 bis 150 Quadratmeter – vom kompakten Apartment bis zur Familienwohnung mit Dachgarten. Die Mischung ist nicht nur baulich sichtbar, sondern auch sozial gewollt. Möglich wurde dieser vielfältige Wohnungsmix durch eine bewusst einfache Bauweise. Die Grundstruktur des Gebäudes wurde vertikal geschichtet. Die tragenden Wände und haustechnischen Anlagen verlaufen so durchgehend vom Erdgeschoss bis ins Dachgeschoss, was den Planungs- und Bauprozess effizient gestaltete. Durch geschossspezifische Besonderheiten, wie die zweigeschossigen Hofzugänge, die Eingangsfoyers oder die Rücksprünge der oberen Geschosse, ergaben sich neue Geometrien, die für die Diversifizierung der Wohnungstypen genutzt werden konnten.
Der Baukörper selbst gliedert sich in vier Gebäuderiegel: drei davon sind sechsgeschossig, einer fünfgeschossig. Durch diese Staffelung entsteht nicht nur eine Differenzierung in der Höhenentwicklung, sondern auch ein räumlich ausgewogenes Gesamtbild mit ausreichender Belichtung des Innenhofs. Durch die Staffelung in den oberen Etagen entstanden trotz wiederholender Geste individuelle Strukturen, da Tiefe und Breite der Rücksprünge variieren. Eine gestalterische Spannung bei gleichzeitig wirtschaftlicher Bauweise entstand. „Wir sind immer bestrebt, einfach zu bauen“, sagt Heimowski. „Damit ist nicht monoton oder einfallslos gemeint, sondern effizient, klar und ressourcenschonend.“
Auch funktional schöpfen die Gebäude aus einfachen, aber effektiven Prinzipien – wie etwa die umfangreich begrünte Dachlandschaft. Mit einer Substrathöhe von rund 40 Zentimetern nimmt sie nicht nur optisch Bezug auf die parkartige Erdgeschosszone, sondern wirkt wie ein Schwamm: Bei Starkregenereignissen verzögert sie den Wasserabfluss in die Kanalisation und entlastet so das städtische System. Die Retentionsfähigkeit der Begrünung ist Teil eines nachhaltigen Ansatzes, der das Gebäude auch im Klima von morgen funktionstüchtig hält.

Massiv mit Kalksandstein

Entscheidend für diesen einfachen und effizienten Ansatz war auch der Baustoff.
HPP setzte in allen Geschossen auf XL-Rasterelemente von KS-Original – dort machen sie rund 70 bis 80 Prozent des Wandmaterials aus und wurden aufgrund ihres Formats und der statischen Eigenschaften für Außenwände sowie für tragende Innenwände eingesetzt. „Für uns ist Kalksandstein ein Allrounder, der alles abdeckt, was wir an statischen Anforderungen haben“, betont Heimowski. Zum einen schätzen die Architekt*innen den Schall- und Brandschutz des weißen Steins, zum anderen die einfache Umsetzung. Denn die Formate der XL-Rasterelemente folgen einem Baukastenprinzip im 12,5er Raster: ein klar definiertes Regelformat mit einer Breite und Höhe von 498 mm, zwei Ergänzungsformate sowie Ergänzungssteine. Dadurch waren nicht nur nahezu alle Wandlängen planbar, auch die aufwändigen Sägearbeiten auf der Baustelle entfielen. Mithilfe eines Minikrans wurden die Großformate versetzt, das Nut-Feder-System gewährleistete dabei Präzision und Ausführungssicherheit. Ein Aspekt, den auch der Projektleiter Heimowski an der Arbeit mit dem massiven Stein schätzt: „Mit Kalksandstein konnten wir sehr gut und zügig Fortschritte erzielen“.

Neben dem kreuzförmigen Park auf dem Gelände von maxfrei bietet das Baufeld 3 den Bewohner:innen der obersten Etagen zusätzlich Zugänge zum gemeinschaftlichen Dachgarten.

Zukunft urban gedacht

Das Quartier maxfrei – und damit auch das von HPP Architekten geplante Baufeld 3 – steht exemplarisch für einen Wandel im Städtebau: weg von monofunktionalen Arbeitsquartieren, hin zu durchmischten, lebendigen Stadtteilen mit kurzen Wegen. Die Kapelle der ehemaligen JVA, heute als Identifikationspunkt erhalten, verankert das neue Leben im historischen Kontext. Was früher Trennung bedeutete, wird jetzt zum Ausgangspunkt für ein integriertes Miteinander.
Baufeld 3 zeigt, wie sich soziale, ökologische und städtebauliche Anforderungen mit einer klaren architektonischen Sprache verbinden lassen. Es ist ein Beispiel für kluge Verdichtung – ohne Enge. Neben HPP Architekten waren ebenfalls Studio caspar. und goetzenarchitekten an der Entwicklung des Quartiers beteiligt.

Der Kopf hinter dem Projekt

Thomas Heimowski ist Architekt und Associate Partner bei HPP Architekten. In seiner Funktion als Projektleiter begleitete er bereits zahlreiche Projekte unter anderem aus dem Wohnungsbau. Das Büro mit Hauptsitz in Düsseldorf ist neben der Architektur auch in der Innenarchitektur, der Revitalisierung sowie in der Quartiers- und Stadtplanung tätig und realisiert Bauvorhaben aller Typologien und Größenordnungen.

Bauaufgabe
Wohnungsbau
Lage
Düsseldorf
Architektur/Bauplanung
HPP Architekten
Grundfläche
32.77m²
Fertigstellung
2025
Autor

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